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Geschickt nutzt der Autor in dieser Anekdoten-Sammlung eine Verkleidung – und zwar die in die bunte Welt des Orients und deren Weisheit, die er gern seinen Zeitgenossen zum produktiven Nutzen sowie zum ernsthaft-heiteren Vergnügen empfehlen möchte. Besonders interessant ist dabei, dass der Leser die Branstnersche Neufassung mit den im Anhang abgedruckten Vorlagen vergleichen kann. Hier zwei schöne Beispiele für dieses Verfahren: Neufassung: 11. Der nützliche Vorschlag Ein Kanzler liebte es, kostspielige, aber wenig nützliche Bauvorhaben ausführen zu lassen. Da schlug ihm ein Mann eines Tages folgendes vor: „Lasst den See nahe der Hauptstadt trockenlegen, und Ihr werdet eine große...
Gleich zu Beginn seines Liederbuches legt sich Branstner mit Johann Gottfried Herder an, der meinte, dass Volkslieder nicht von einem Autor geschaffen werden können, sondern nur im Volke entstehen. Genau das hätten Becher/Eisler mit dem Misserfolg ihrer „Volkslieder“ bestätigt. Die Lieder in diesem Buch hingegen widerlegen Herder, so der Autor – denn sie würden seit Jahren auf den verschiedenen Bühnen mit Erfolg gesungen. Marianne Wünscher beispielsweise erhielt an der Volksbühne für „Des Jägers Wunderhorn“ 56 Sekunden Szenenapplaus. Grund genug nach dem Unterschied zwischen beiden Produktionen zu fragen. Branstners Antwort: Becher war zu politisch und Eisler zu akademisch...
Zu den vergnüglichsten Texten in diesem Debütband mit Feuilletons des damals 36-jährigen Schriftstellers Jürgen Borchert gehört der mit dem wahrlich feuilletonistischen Titel „Vorschlag, ein Feuilleton über das Luftschiff zu schreiben“. Gewidmet hatte Borchert dieses Feuilleton seinem Lehrer, Mentor und späteren Freund Heinz Knobloch, der viel dafür getan hat, dass sich dieses journalistisch-literarische Genre in der DDR ausbreiten durfte und viel dafür, dass sich auch Leute fanden, die Feuilletons schreiben konnten – wie eben Jürgen Borchert. Schon in seinem Debütband zeigt der noch junge Feuilletonist, dass er sein Handwerk versteht, blickt auf seinen eigenen Balkon, auf a...
Zweifellos war Eulenspiegel ein heiterer Mann. Von ihm und seinen Eulenspiegeleien reden die Leute noch immer. Daher ist es völlig logisch, dass Eulenspiegel ein Platz in einem Handbuch der Heiterkeit gebührt. Zu diesem Zweck hat Branstner sogar eine Kabarettoper geschrieben, die so beginnt: Die Narrenschaukel 1. Bild. Die Narrheit lebt auf großem Schuh Volksmenge in historischen Trachten (aus der Zeit des historischen Eulenspiegels), dazu einige Spielleute oder Gaukler. Die Menge starrt in die Höhe und verfolgt in gleichförmiger Bewegung einen bestimmten, für den Zuschauer nicht sichtbaren Vorgang in der Luft und gibt staunende A- und O-Rufe von sich, die zu einem A-und-O-Chor werden....
In einer der in diesem Buch nachzulesenden „Neulichkeiten“ geht es um eine Nonne in einem Wahllokal in Jena, wo sie zur Zeit der ersten Wahl zur Volkskammer für ein besonderes Vergnügen und herzliches Gelächter sorgte. Und damit sind wir schon bei den beiden großen Themen dieses Autors, der sich immer wieder mit der menschlichen Heiterkeit und deren Voraussetzungen sowie mit dem Lachen befasst hat – und zwar mit dem Lachen zur richtigen Zeit. Um das besser verstehen zu können, sei hier die vollständige Nonnen-Heiterkeit zitiert: Von einer Nonne, die sich der Polizei überliefern wollte; sie wurde aber nicht genommen Während der ersten Wahl zur Volkskammer erlebten die Wähler in...
Wie fast immer kommt Branstner auch in dieser Auseinandersetzung mit dem Theater recht schnell auf eines seiner Lieblingsthemen zu sprechen. Dieses Thema ist die Heiterkeit: Das ursprüngliche und eigentliche Wesen des Menschen aber ist Heiterkeit. Und das Theater lebt mehr als alle andere Kunst von diesem Wesen des Menschen. Daher ist die Phase der Negation als das zweite Stadium der Vorgeschichte des Theaters auch sein finsterstes. Das ursprüngliche und eigentliche Wesen des Menschen sei Heiterkeit? Das ist zu belegen, sagt Branstner und fügt sogleich solche Belege aus vielen Teile der Erde an, von den Eskimo und Indianern Nordamerikas (damals durfte man sie offenbar noch so bezeichnen) ...
Die Sicht des Autors auf das Thema Heiterkeit und den Zustand der Welt kann man vielleicht am allerbesten an der vorletzten seiner „Sentenzen zur Heiterkeit“ erkennen, die am Ende seiner Grundlegung stehen. Dort schreibt er: Welthumor Gefragt, weshalb er nicht an Gott glaube, erwiderte Nepomuk: „Weil mir nicht bewiesen werden konnte, dass Gott jemals gelacht hat. Wie aber könnte ein Mann, der diese Welt gemacht hätte, ernst bleiben.“ Und damit ist schon viel, wenn nicht sogar alles gesagt und außerdem kommt in diesem Zitat eine Lieblingsfigur Branstners zu Wort – sein Nepomuk, der immer wieder gern mit überraschenden An- und Absichten zum Mit-Denken provoziert und der wohl selb...
Kreuzwege. Dieses Wort lässt sich auch als Wege verstehen, die sich kreuzen. Da begegnen sich die Lebenswege zweier Menschen, und der Leser darf gespannt sein, was sich aus dieser Begegnung entwickelt – oder eben auch nicht. In diesem Roman des deutsch-australischen Journalisten und Schriftstellers und Jahrhundertzeugen Walter Kaufmann sind es zwei Menschen sehr unterschiedlicher Herkunft, die sich begegnen, deren Lebenswege sich kreuzen – und zwar auf einem Schiff: Ron war für sie jetzt nicht mehr irgendein gut aussehender Heizer. Sie hatte einen aufgeschlossenen, fantasiereichen und mutigen Mann kennengelernt, dessen zurückhaltende, leicht trotzige Art eine anziehende Ursprünglichk...
Jurek Beckers in der DDR entstandenes Werk dient als Paradigma für die Untersuchung des sozialistischen Kulturbetriebs. Wie verhielten sich politisch-ideologische Interessen zu ökonomischen? Wie funktionierte der Literaturexport von Ost nach West? Wie wirkte sich die Existenz eines deutschen Nachbarstaates im Westen auf die im Kulturbereich der DDR Tätigen aus? Welcher Logik gehorchte die Informationserhebung und -vermittlung des MfS (Ministerium für Staatssicherheit)? Wie erfolgte die Kooperation, Konfliktbewältigung und Auseinandersetzung zwischen Autor, "gelenktem" Literaturbetrieb, politischer Führungselite und Staatssicherheitsdienst? Machtkämpfe wurden nicht nur durch die Positi...