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Kürschners Deutscher Literatur-Kalender – seit über 140 Jahren die bewährte Dokumentation der zeitgenössischen deutschsprachigen Literaturszene – umfasst in seiner 74. Ausgabe Einträge zu ca. 9.000 Schriftstellerinnen und Schriftstellern. Ohne literaturkritische Wertung stellt der Literatur-Kalender die lebenden Verfasserinnen und Verfasser schöngeistiger Literatur in deutscher Sprache vor – unabhängig von Staatsangehörigkeit und geographischem Lebens- und Wirkungsbereich. Die Artikel informieren über Adressen, Lebensdaten, Mitgliedschaften in Fachverbänden und literarischen Vereinigungen, literarische Preise sowie die Veröffentlichungen der Schriftstellerinnen und Schriftst...
Nach zwei Bänden mit Belletristik geht es diesmal um Sachbücher. In den letzten Jahren scheint bei der Autorin eine Verschiebung stattgefunden zu haben. Mehr Sachbücher, weniger Fiktion. Warum? Weil sie von allem anderen schon genug gelesen hat, weil diesbezüglich alles gesagt wurde, nichts Neues dazu kommt, alles eine Variation des Bisherigen ist - Liebe, Beziehungen, Alltagsprobleme, Schicksale? Vielleicht. Sachbücher jedenfalls zeigen, wie spannend die reale Welt ist, sodass man mehr darüber wissen möchte. So geht es in dem Buch um einen Strauss von weltbewegenden Themen wie Libellen in der Wüste, Regenwürmer und Springschwänze, Schafe und Trottellummen, farbensprühende Tintenfische, eierlegende Hunde, die Farben des Wassers, des Himmels und des Regenbogens, das Elend mit dem Staub, Bromrüben und Eichhörner, Büroklammern und Zündhölzer, die Bedeutung des Wanderns, Strickens und Gärtnerns, das Klima, schliesslich die Welt, wie es ihr ergeht, wenn wir nicht mehr da sind...
Kein Roman erfasst die Erschütterungen des 20. Jahrhunderts so wie Thomas Manns Zauberberg, der vor 100 Jahren erschien und von der Höhe aus ein Panorama der europäischen Welt entfaltet, ihrer Menschen und der beschleunigten Zeit. Die Themen des Romans sind unsere, und Thomas Sparr nennt sie in diesen alphabetischen Leitfäden durch ein unerschöpfliches Jahrhundertwerk: der Schnee, der nicht mehr so fällt wie damals; das Zwielicht der Geschlechter; die konfuse Sexualität, Thomas Manns jüdische Figuren; die Demokratie; der Krieg und vieles mehr.
»Man reißt ein Grasbüschel aus und glaubt, man sei das Kraut für immer los, aber nach einem Vierteljahrhundert wächst Gras derselben Art an derselben Stelle wieder nach.« Im Sommer 1949 wird ein palästinensisches Beduinenmädchen von israelischen Soldaten missbraucht und ermordet. Jahrzehnte später versucht eine junge Frau aus Ramallah, mehr über diesen Vorfall herauszufinden. Sie ist fasziniert, ja besessen davon, vor allem, weil er sich auf den Tag genau fünfundzwanzig Jahre vor ihrer Geburt zugetragen hat. Ein Detail am Rande, das jedoch ihr eigenes Leben mit dem des Mädchens verknüpft. Adania Shibli verwebt die Geschichten beider Frauen zu einer eindringlichen Meditation über Krieg, Gewalt und die Frage nach Gerechtigkeit im Erzählen. »Ein außergewöhnliches Kunstwerk, das immer wieder überrascht und fesselt: eine äußerst rare Mischung aus moralischer Intelligenz, politischer Leidenschaft und formaler Virtuosität.« Pankaj Mishra
Ramón hat die Schnauze voll und einen neuen Job. Er soll das Coca-Cola-Plakat am Ortseingang bewachen. Und weil von oben alles besser aussieht, zieht er ganz auf das Gerüst – ein moderner Säulenheiliger. So sehen ihn auch die Leute, die ihn für verrückt erklären und seinem Neffen, der diese schöne Geschichte erzählt, verbieten, seinen Onkel zu besuchen. Genau das macht er: Da oben sind die Sterne näher, Coca-Cola leuchtet, und mit Ramón ist gut schweigen. Aber es gibt Krach, denn wer was Besseres finden will, den trifft die Wut der armen Nachbarn. Wie in M. J. Ferradas Erstling »Kramp« hält auch hier ein schlaues Kind den angeblich Erwachsenen einen wenig schmeichelhaften Spiegel vor.
Es ist die größte Projektionsfläche Berlins, manche nennen es: das Schloss. Das hat nichts mit Kafka zu tun, dafür viel mit einem Preußen, das es, wie dieses Gebäude, so nie gegeben hat. Jahrzehnte wurde gestritten, gerungen, polemisiert: hier die Preußen-Freunde, die etwas wiederhaben wollten, was aussehen möge wie ein Schloss, ganz gleich, was es beherbergt (und sei es ein Humboldt Forum) – dort die Anhänger eines zeitgenössischen, zukunftsweisenden Umgangs mit historischen Baulücken. Hans von Trotha, profunder Kenner von Schlössern und Gärten in Europa, hat die Debatte intensiv verfolgt. Nun, da die Außenhülle vollendet ist, versucht er eine Rekapitulation der Grabenkämpfe. Und beleuchtet die Hintergründe – wo aus Gräben bisweilen Abgründe werden.
Camanchaca – ein Nebel, der Chiles Küste einhüllt. Oder ist es der Nebel der Gefühle und Erinnerungen, durch den sich der Erzähler tastet ? Ein junger Mann, übergewichtig, mit schlechten Zähnen, im Auto unterwegs zur peruanischen Grenze, wo Kleidung und Zahnärzte billig sind. Am Steuer der Vater, mit neuer Frau und neuem Kind. Zurückgelassen in Santiago die Mutter, Erinnerungen an nächtliche Gespräche; Fußballspiele im Fernsehen, den Lebenstraum Reporter im Stadion. Die lakonische Poesie dieser Geschichte aus einer beschädigten Jugend am Meer, in einem beschädigten Land, lässt offen, ob die Reise durch eine von Erinnerungen an Zärtlichkeit und Gewalt verhüllte Landschaft auch ein Weg der Befreiung ist. Gute Literatur zeigt ihre Klasse nicht zuletzt in dem, was sie verschweigt.
Gestern noch fast beerdigt, aber heute wieder hochaktuell: die transatlantische Partnerschaft. Kaum einer hat dafür so viel geleistet wie Eric Warburg: Spross der berühmten Banker-Dynastie, Neffe von Aby Warburg, dessen weltberühmte Bibliothek er vor den Nazis rettete – sowie zahllose seiner jüdischen Landsleute. Er war Bankier, Waffenlieferant, Verhöroffizier in der siegreichen U. S. Army und Kalter Krieger. Und er sorgte dafür, dass nach 1950 ein Teil des besiegten Deutschland auf den Westen eingeschworen wurde. Im Leben dieses weltläufigen Brückenbauers findet mühelos das politische 20. Jahrhundert Platz, das immer noch nicht zu Ende ist.
Ein Immobilienhai ist Bertolt Brecht nie gewesen. Er hatte Besseres zu tun, um einer der erfolgreichsten Dichter aller Zeiten zu werden. Damit aber daraus was werden konnte, musste es bequem zugehen. Ob im Berlin der zwanziger Jahre, im dänischen, schwedischen, finnischen und kalifornischen Exil, als Staatsdichter im Arbeiter- und Bauernstaat DDR – eine geräumige Wohnung, besser noch: ein behagliches Haus musste sein. Stuhl und Tisch waren wichtig, und auch der fahrbare Untersatz musste stimmen. Ursula Muscheler beschreibt mit Verve, Witz und Präzision, wie bei Brechts Lebensstil eher die alte als die neue Zeit zum Zug kam – und wie die Frauen alles organisierten.
»Seit über dreißig Jahren lebe ich im Westen Japans, und zu meinem großen Entzücken weiß ich heute deutlich weniger als bei meiner Ankunft.« Folgerichtig zählt sich auch Pico Iyer, einer der großen Reiseschriftsteller unserer Zeit, vergnügt zu den Japan-Anfängern. Hier nun schöpft Iyer aus seinen vielen Erfahrungen, aus Reisen, Gedanken, Lektüren, Gesprächen und eröffnet uns überraschende, pointierte Einblicke in die japanische Kultur. Mit Liebe für Details und Freude an Widersprüchen erhellt Iyer Japan-Neulingen ein faszinierendes Land, versierte Reisende werden es noch einmal mit anderen Augen sehen.