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Sex ist Ekstase - und auch Musik kann Ekstase sein. Sex provoziert - und schafft durch Skandale Öffentlichkeit für die Ware Musik. Sex polarisiert - und ist daher Mittel der Distinktion für die Musik von sozialen Gruppen und Generationen. Populäre Musik ist ein Kulturprodukt, das in besonderem Maße jugendliche Lebenswelten repräsentiert. Wie kaum ein anderes Medium gibt sie Aufschluss über männliche und weibliche Identitätsmodelle und damit verbundene Machtstrukturen, über Moralvorstellungen, über intime Wünsche, Sehnsüchte, Hoffnungen und Idealvorstellungen in der Gesellschaft. So umfassend wie in diesem Band wurde das intime Verhältnis von Sex und Musik bisher noch nicht aufgearbeitet.
Populäre Musik ist ›performte‹ Musik, sie ist eine Musik des Machens - im Gegensatz zu einer Musik des Erdenkens und Notierens des schriftlich fixierten Werkes. Ihre Medien sind Medien, die Performance ermöglichen, vervielfältigen und transportieren: die Schallplatte, das Video, die MP3-Datei - und zuerst das Konzert, das als Urform in alle Verbreitungsmedien eingeschrieben ist. Die Beiträge dieses Bandes zeigen: Die Art und Weise, wie (mit stimmlichen, instrumentalen oder körperlichen Gesten), wo (im Studio, im Club, auf Festivals) und von wem (welcher Persönlichkeit, welchen Geschlechts, welcher Ethnie) Musik gemacht wird, ist entscheidend - für die Wahrnehmung des Stückes, die Abgrenzungen der Musiker untereinander, für die Festlegung von Genregrenzen, aber auch für Prozesse der Aneignung und Individuation durch das Publikum.
»Keine Atempause, Geschichte wird gemacht.« Die populäre Musik - vor Jahren noch ein Modeartikel mit begrenzter Haltbarkeit - werkelt an ihrer Vergangenheit. Alte Alben werden wieder aufgelegt und zu Klassikern erhoben. Popjournalisten schreiben an Listen des Besten und Wichtigsten »aller Zeiten«. Das Fernsehen strahlt längst verdrängt gehoffte Musiksendungen der Schlaghosenzeit wieder aus: »Spot an!« auf die Geschichte. Die wissenschaftliche Forschung hat sich bisher wenig um eine Geschichte der Pop- und Rockmusik gekümmert. Die Beiträge des Bandes fragen: Was oder wer ist überhaupt geschichtswürdig und was darf/soll man vergessen? Wie schreibt man überhaupt eine Geschichte der populären Musik? Und: Gibt es nur eine oder nicht eigentlich viele Geschichten?
Wie viel Bier ist, in Abwandlung einer Sentenz Friedrich Nietzsches, in der typisch deutschen Musik? Und ist das typisch Deutsche in oder an der Musik? Überhaupt: Was ist typisch Deutsch - und ist die Frage nach dem typisch Deutschen in der populären Musik selbst eine typisch deutsche Frage? Wo nimmt das typisch Deutsche seinen Anfang in der populären Musik: im »Volkslied«, in der volkstümlichen Musik oder der »Hausmusik«? Wo blüht es auf oder treibt es Blüten: im Jazz, bei Helge Schneider oder Heino, Udo Lindenberg oder der Neuen Deutschen Welle? Und wo wird es konterkariert oder hat das typisch Deutsche ein Ende: beim Badenweiler Marsch oder im germanophilen Metal, bei den alten Onkelz oder frei.wildernden Patrioten? Fragen über Fragen ...
Sag mir, was du singst, und ich sag dir, wer du bist! Sprache und Musik sind wichtige Zeichen für Identität. Mit einem Lied kann man Zugehörigkeit, aber auch Abgrenzung symbolisieren: Migranten hören und machen Musik, die ihnen ein Gefühl von Heimat vermittelt. Lokale Musikszenen pflegen die regionalen Merkmale in ihren Songs, aber auch internationale Stars vermarkten sich mit Zeichen ihrer Herkunft. Angesichts der fortgeschrittenen Globalisierung des Musikmarkts gewinnt das Regionale in der populären Musik zunehmend an Bedeutung. Das Buch beschreibt am Beispiel verschiedener Musikkulturen und -szenen sowie aus der Perspektive verschiedener wissenschaftlicher Disziplinen die vielfältigen Prozesse der Identitätsbildung in der post-migrantischen Gesellschaft und die vielfältigen Spannungen zwischen regionalem Denken und einer nicht zuletzt ökonomisch globalisierten Welt.
Wie analysiert man eigentlich populäre Musik? Nach zwei Jahrzehnten eines überwiegend kulturwissenschaftlichen Blicks auf den Gegenstand besinnt sich die Popularmusikforschung wieder auf ihre Kernkompetenz: auf die Beschreibung von Musik als akustisches Phänomen. Die etablierten Techniken der Untersuchung von Kunstmusik erweisen sich hier jedoch als nur bedingt transferierbar. Die Beiträge dieses Bandes diskutieren daher alternative Methoden zur Analyse populärer Musik und erproben sie am Beispiel von Songs aus Pop, Rock und Jazz.
»The world's all out of tune« hieß es, kaum waren die Bilder von den einstürzenden Türmen des World Trade Centers und dem brennenden Pentagon um die Welt gegangen. Und ebenso schnell, wie die US-Administration zur Bestätigung dieser Weltsicht die Operation »Infinite Justice« resp. »Enduring Freedom« in Gang setzte, reagierte auch die Musikwelt auf die terroristischen Anschläge mit der Produktion hunderter »9/11-Songs« und »September 11-Tracks« - von Pop, Rock, Folk, Country, HipHop bis Techno und NewAge, von arrivierten Popstars bis zur vox populi übrigens keineswegs »out of tune«. Der Band sucht »Nine-Eleven« und das Pop-Territorium in Beziehung zu setzen, kontroverse Positionen auszuloten und Neu- bzw. Umorientierungen des popmusikalischen Konstrukts von Gewaltfreiheit, Friedensliebe, überhaupt gesellschaftlicher Solidarität auf die Spur zu kommen.
Der Zusammenhang zwischen Virtuosität und Popularität scheint - denkt man an Musiker wie Jimi Hendrix, Charlie Parker oder auch den »Fernsehgeiger« David Garrett - auf der Hand zu liegen. Aber die Sache ist komplexer und widersprüchlicher als erwartet: Virtuosität ist konstitutiv für zahlreiche populäre Musiken von Jazz über Bluegrass und Metal bis zum HipHop. Zugleich kann fehlende instrumentale oder vokale Technik als Ausweis von Authentizität gelten. Und mitunter soll Virtuosität populäre Rezeptionsmodi geradezu verhindern. Die Beiträge des Bandes fragen: Worin gründet die Faszination an und der Argwohn gegenüber der Virtuosität - geht es vor allem um das zirzensische Element, das in Ausdrücken wie »Griffbrettakrobat« oder »Tastenzauberer« durchscheint? Und: Welche Parallelen und Unterschiede zum Diskurs innerhalb der »E«-Musik lassen sich beobachten? Gibt es eine spezifische Virtuosität der populären Musik oder tendiert virtuose Musik generell zur Popularität?
Populäre Musik ist eine Kultur des Ausschneidens und Wiederverwertens, des Übertrags bekannter Muster in immer neue Kontexte, die sich ebenfalls wieder zerlegen und neu kombinieren lassen. Das Buch spürt dem Phänomen des »cut and paste« in der populären Musik der Gegenwart nach - in den Raps und Samples des HipHop, in den nostalgischen Sounds der Jazz-Diven Norah Jones, Diana Krall und Cassandra Wilson, in der »New Wave of New Wave«, in den Bemühungen der Tributebands, ihre Vorbilder bis ins Detail zu imitieren, in den romantischen Reminiszenzen an eine vergangene Identität im Balkan-Rock, die doch nur eine Fiktion der Gegenwart ist. Auch aktuelle Rechtsrock-Formationen machen sich die Mitgröhlqualitäten älterer Titel zu Nutze, um sie mit neuen Texten für ihre Propaganda zu instrumentalisieren. »Es ist alles nur geklaut« im Pop der Gegenwart - und doch ist alles eigenartig.
Musik ist eine im Alltag allgegenwärtige Form der Kommunikation. Sie umfasst die musikalische Produktionshandlung ebenso wie die Realisation des musikalischen Produkts, die Rezeption und die verschiedenen Stadien der Weiterverwertung. Einer, der dies über Jahrzehnte hinweg und mit großer Neugier erforscht hat, ist Helmut Rösing, dessen unkonventioneller Ansatz hier erstmals zugänglich gemacht wird. Seine Texte, die einen Zeitraum von drei Jahrzehnten umspannen, reflektieren die kulturelle Bedeutung von Musik und thematisieren immer wieder den musikdurchsetzten Alltag mit all seinen Facetten. Dabei reflektiert Helmut Rösing stets auch die Positionen seines Faches und misst sie an dem, was musikalisch der Fall ist: eine unverzichtbare Voraussetzung der wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit dem Beziehungssystem Musik. Herausgegeben von Alenka Barber-Kersovan, Kai Lothwesen und Thomas Phleps.