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Die Studie entwickelt einen grundlegend neuen Blick auf Wirtschaftskrisen, indem sie diese als politisches Deutungsmuster perspektiviert. Für drei folgenschwere Krisen zwischen 1929 und 1976 zeigt sie auf breiter Quellenbasis, wie die Krisen zugleich Effekt und bestimmender Faktor politischer Kommunikation waren und wurden. Hierzu rekonstruiert sie en détail die Konstellationen, in denen sich Krisendeutungen etablierten, arbeitet die jeweiligen konkreten sprachlichen Zusammensetzungen des Deutungsmusters heraus und analysiert die Aneignungen der Krisendeutungen durch einzelne Politiker und Journalisten. Auf diese Weise wird plastisch erkennbar, wie Wirtschaftskrisen als multifaktorielle Phänomene mit politischen, ökonomischen und medialen Anteilen zustande kamen und funktionierten. Gesamtergebnis der Arbeit ist eine empirisch gesättigte Krisenheuristik, die fallübergreifende Muster von Wirtschaftskrisen als Kommunikationsphänomen aufzeigt und zugleich Spezifika der einzelnen Krisen herauspräpariert.
Menschen träumen – mutmaßlich schon immer – nachts, tagsüber und in politischen Visionen und Utopien. Aber wovon sie träumen, wie sie träumen, wie Träume wahrgenommen werden und welche Bedeutung man ihnen individuell, gesellschaftlich, politisch und wissenschaftlich beimisst, unterliegt historischem Wandel. Im Mittelpunkt dieses Bandes stehen Fragen nach den Inhalten des Geträumten, Imaginierten oder Ersonnenen sowie Betrachtungen zu den Träumenden, Visionären oder Utopisten der Geschichte. Die Beiträge thematisieren zudem sowohl theoretische und methodische Aspekte einer Traumgeschichte als auch Überlegungen zu den Begriffen, Semantiken und Diskursen des Traums und zu seinen visuellen Repräsentationen.
»Ökonomie« erscheint als ein Forschungsgegenstand, der allumfassend ist und jeden anderen gesellschaftlichen Bereich grundlegend durchwirkt. Zugleich stellt sich »die Ökonomie« als zunehmend geschlossenes Feld dar - das zeigt sich auch in den gerade wieder öffentlich thematisierten Krisenzeiten. Die Beiträge des Bandes verfolgen eine Kulturanalyse des Ökonomischen, die ein Verständnis von Wirtschaft als Diskurs- und Praxisform(en) favorisiert und entsprechend prozessual angelegt ist. Sie liefern wichtige Impulse für die Kultur- und Ideengeschichte des Ökonomischen, dessen (mediale) Kommunikation und Material(isierung) und tragen so zum Aufbrechen oft unhinterfragter Gesetzmäßigkeiten und starrer Bilder in der Verhandlung ökonomischer Fragen bei.
Grenzen strukturieren nicht nur die Ordnung von Landschaft und Herrschaft, sondern auch von Gesellschaft. Als soziale Konstrukte vereindeutigen sie Zustände, öffnen aber auch Räume für Aushandlungen und Überschreitungen. In der Moderne dienten praktische und metaphorische »Grenzgänge« dazu, Beziehungen, die Verhältnisse gesellschaftlicher Teilsysteme und die Reichweite von Normen zu klären. Die Beiträger*innen schauen auf die Denkfigur des »Grenzgangs«, die es ermöglicht, zentrale Fragen moderner Gesellschaften zusammenzudenken: Gewaltvolle Identitätskämpfe, der Umgang mit funktionaler Differenzierung und mit der Fragilität von Werten und Wissen offenbaren sich als Praktiken, mit denen Grenzen gezogen, überquert oder ausgehandelt wurden.
Lili Zhu rekonstruiert die Geschichte des deutsch-chinesischen Waffenhandels zwischen 1922 und 1941 anhand deutsch- und chinesischsprachiger Quellen. Sie zeigt auf Basis verflechtungsgeschichtlicher und mikrogeschichtlicher Perspektiven, wie nach dem Ende des deutschen Kolonialismus alte koloniale Machtbeziehungen in neue Asymmetrien zwischen deutschen und chinesischen Verhandlungspartnern übersetzt wurden. Die Transformation des Waffenhandels von privatem Handel zu einem Staatsvertrag und wieder zurück wird quellenkritisch als eine Darstellungsstrategie der beteiligten Akteure, die sich oft in Grauzonen zwischen Staat und Privatwirtschaft bewegten, analysiert.
Die beiden „Ölschocks" von 1973/74 und 1979/80 waren nicht nur zentrale wirtschaftliche Ereignisse, sondern übten entscheidenden Einfluss auf die zeitgenössischen Debatten um eine grundlegende Reform, wenn nicht gar Revolution, der Weltwirtschaftsordnung aus. Das vorliegende Buch untersucht die Ölkrisen erstmals nicht allein mit Blick auf die Industriestaaten der nördlichen Hemisphäre, sondern fragt gleichberechtigt nach ihren Folgen für die Staaten des Globalen Südens. Die Studie argumentiert, dass die Ölkrisen der OPEC die notwendigen Machtmittel in die Hand gaben, um die Forderung nach einer Neuen Weltwirtschaftsordnung 1974 erfolgreich auf einen Spitzenplatz der internationale...
Religiöse Kontroversen um Sexualerziehung, Abtreibung und Homosexualität prägen seit Jahrzehnten Alltag und Politik in den USA. Allerdings wissen wir bisher wenig darüber, wie protestantische Mainline-Kirchen an diesem Prozess partizipierten. Jana Hoffmanns Studie setzt hier an und untersucht am Beispiel der United Methodist Church, wie sich religiöse Sexualitätsdiskurse im Laufe des 20. Jahrhunderts veränderten und welchen Einfluss sie auf religiöse Familien-, Ehe- und Geschlechtervorstellungen hatten. Die Autorin zeigt hierbei, dass Mainline-Protestanten nicht nur auf gesellschaftliche Veränderungen reagierten, sondern sie aktiv anstießen, beeinflussten und mitgestalteten. So gel...
Mit der Politik tun sich die deutschen Ärzte traditionell schwer. Der berühmte Rudolf Virchow war in dieser Hinsicht eine große Ausnahme: Kaum eine andere Profession legte insgesamt so viel Wert darauf, »unpolitisch« zu sein. Tobias Weidner geht den sprachlichen Wurzeln dieser Grundhaltung nach und zeigt, wie demonstrative Politikkritik im Laufe des 19. Jahrhunderts zu einer zentralen Professionalisierungsstrategie der Mediziner wurde. Selbst die sozial- und rassenhygienischen Utopien verwissenschaftlichter Politik beruhten grundlegend auf Abgrenzung von der »reinen Politik«.
Franziska Neumanns Studie untersucht Formalisierungsprozesse und die Ausbildung formaler Organisationen in frühneuzeitlichen Verwaltungen. Am Beispiel der sächsischen Bergverwaltung im 16. Jahrhundert zeigt sie, dass Formalisierung nicht nur verwaltungsintern, sondern auch mit Bezug auf Verwaltungsumwelten interpretiert werden muss: Die Bergverwaltung war in hohem Maße von auswärtigen Investoren abhängig. Mitgliedschaftsregeln, formale Regeln, Routinen, Verfahren, vor allem aber die Selbstdarstellung als formale Organisation dienten auch dazu, unter den Bedingungen von Abwesenheit Vertrauen herzustellen. Statt also Formalisierung mit Rationalität und Effizienzsteigerung gleichzusetzen, lädt die Studie dazu ein, genauer nach Formen und Funktionen von Formalisierungsprozessen zu fragen.